Frische Luft aus der Steckdose

Wartau gilt als einer der besten Windkraftstandorte der Ostschweiz. Die Gemeinde hofft nun auf Rückenwind.

Infoabend Windenergie im Wartau

Bericht und Fotos, Michael Wanger W&O

Windenergie ist in der Schweiz noch wenig verbreitet, doch könnte das Ja zum Klimaschutzgesetz nun die Wende herbeiführen. Etwas, das der Wartauer Gemeindepräsident Andreas Bernold begrüssen würde. Nicht nur berge Wind-kraft grosses, ungenutztes Potenzial, auch eigne sich seine Gemeinde hervorragend als Standort. Die Voruntersuchungen des Kantons imRahmen der Richtplananpassung 2023 stützen seine Aussage.

Am Freitagabend lud die Gemeinde zur Infoveranstaltung in die Aula des OZ Seidenbaum ein. «Immerhin wollen wir keinen 100-Meter-Mast aufstellen, ohne davor die Einwohnerinnen und Einwohner informiert zu haben», sagte Bernold.

Welche Vorteile hat Windkraft gegenüber anderen Energiequellen? Michael Gabathuler von der neugegründeten Elektro- und Wasserkorporation Wartau gab Einblick. Windkraft erhöht die Eigenproduktionsrate einer Gemeinde und macht diese somit unabhängiger. Aktuell liege die Eigenproduktion inWartau jährlich zwischen sieben bis acht Gigawattstunden (GWh). Die Gemeinde braucht im selben Zeitraum jedoch 38 GWh. Das Eignungsgebiet Weite/Valpilär böte genügend Potenzial, um zusätzliche 20 GWh pro Jahr ins Netz einzuspeisen (siehe Infokasten). Hinzu kommt, dass Windkraft die Wintermonate, in denen PV-Anlagen und Speicherseen wenig Strom produzieren, überbrücken könnte.

Dort hängte Anton Felder von der Wega Energiemanagement GmbH ein: «Wenn sich die Räder drehen, weiss man, dass geradeWindenergie aus der Steckdose kommt.» Er hat das Windenergiepotenzial in der Region untersucht. Daran beteiligt war auch die Sunergy GmbH, die von Bruno Dürr vertreten wurde. Er sagte, dass die Windverhältnisse im Raum so gut sind, wie nirgendwo sonst in der Ostschweiz. «Gauschla, Ellhorn und Mittagsspitz gleichen einem engen Bachbett», erklärte Dürr, «das erzeugt eine starke Strömung.»

Wind, Flora, Fauna und Technik geben Ausschlag

Nichtsdestotrotz eignet sich nicht jeder Standort gleich gut für ein Windrad. Oft herrschen schon innerhalb weniger hundert Meter unterschiedliche Verhältnisse. So biete es sich auf Höhe Heuwiese beispielsweise nicht an, eine Anlage am Rhein zu errichten. Im Gegensatz zur Rheinau wehe dort nämlich so gut wie nie Wind.

Die Technik mag bei der Wahl geeigneter Standorte eine grosse Rolle spielen, doch gibt es noch viele andere Kriterien. So dürfen Windräder nicht in Naturschutzgebieten oder Wildtierkorridoren stehen. Auch müssen sie mindestens 300Meter von Wohngebieten entfernt sein. Vogelzuggebiete und Anflugschneisen des Heliports in Balzers spielen ebenfalls eine Rolle. Berücksichtigt man all diese Kriterien, bleiben im Gebiet Weite/Valpilär zwei mögliche Standorte fürWindparks übrig. Beide böten Platz für jeweils drei Windräder.

Der «Störfaktor»würde sich in Grenzen halten

DieWega Energiemanagement GmbH sieht inWartau Windräder des Modells Vestas V162 vor. Diese gibt es ab einer Turmhöhe von 119 Metern. Der Rotor hat einen Durchmesser von 162 Metern. Dass die Anlagen weithin sichtbar sein werden, stritt Anton Felder nicht ab. Immerhin ist der Turm in etwa so hoch wie jener der Anlage in Haldenstein. Gemeindepräsident Andreas Bernold relativierte aber: «Manche sagen, ein Windrad verschandle das Landschaftsbild, mir zeigt es hingegen, wie innovativ eine Gemeinde ist.»
Auch Felder zeigte, dass die Einwohnerinnen und Einwohner allfällige Windräder nur begrenzt wahrnehmen würden. Die Eignungsgebiete berücksichtigten nämlich auch den Schattenwurf der Anlagen, der die Häuser das Jahr hindurch nur über wenige Stunden treffen darf. Selbst die Lärmbelastung dürfte sich in Grenzen halten. Denn anders als es viele Gegner immer wieder behaupten, seien Windräder nicht laut.
In 250 Metern Entfernung sind die Rotorblätter eines Windrads noch mit einer Lautstärke von 40 Dezibel zu hören. Eine Wärmepumpe vor dem Haus ist lauter, Strassenverkehr mit 85 Dezibel sogar deutlich.

Bürger zeigten sich kritisch, aber nicht ablehnend

Fragen aus dem Publikum gab es dennoch. Zum Beispiel: Wäre es nicht sinnvoller, vertikale Kleinanlagen aufzustellen? Sinnlos wäre dies laut Felder sicher nicht, doch bräuchte es 1500 solcher Anlagen, um dieselbe Leistung wie ein 180 Meter hohes Windrad abzuwerfen. Man dürfe nicht vergessen, dass die Windparks, wie sie der Kanton im Gebiet Rheinau oder Weite/Valpilär vorsieht, zeitweise einen Stromüberschuss produzieren könnten. Sie wären während drei Vierteln des Jahres in Be-wegung.

Weiter interessierte sich das Publikum für die Kosten und den Zeitplan. «Windkraftanlagen haben kein Preisschild», räumte Felder ein. Es sei aber davon auszugehen, dass eine Anlage ohne Anschluss zwischen 6 bis 6,5 Millionen Franken kostet. Und was den Zeithorizont betrifft, sei es ein Blick in die Glaskugel. Es komme darauf an, wie die Bevölkerung zu Windparks steht. Einsprachen bremsen ein Projekt aus oder richten es gar zugrunde. Verläuft aber alles reibungslos, könne eine Anlage bereits nach zweieinhalb bis drei Jahren ihren Betrieb aufnehmen.

Wenn die Wartauer der Windkraft wohlwollend gegenüberstehen, beginnen bereits kommenden Monat genauere Windmessungen auf dem Eignungsgebiet, die ein Jahr dauern würden. Die faktenorientierte Diskussion am Ende der Veranstaltung stimmte jedenfalls zu-versichtlich.